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In memoriam: Sir Roy Calne (1930 – 2024)

Eine persönliche Erinnerung von Walter Land an einen der größten Pioniere der Transplantationsmedizin




 Für die internationale Transplantationsgemeinschaft begann das Jahr 2024 mit einer traurigen Nachricht, die auch von mir und meinen Kollegen aus dem DAT Vorstand, Nikolaus Knoepffler, Bernhard Banas und Helmut Arbogast, mit tiefer Betroffenheit zur Kenntnis genommen wurde: Am 06. Januar 2024 ist Sir Roy Calne im Alter von 93 Jahren in Cambridge verstorben. 


Für mich persönlich war er als einer der ersten Pioniere in der Transplantationschirurgie ein wahres Idol, der mich seit den späten 1960er Jahren stets inspiriert hat und dem ich stets nachzueifern versucht habe. Umso mehr war es eine große Ehre für mich, im Jahr 1985 in München als sein Nachfolger zum 2. Präsidenten der Europäischen Transplantationsgesellschaft (ESOT) gewählt zu werden, deren Gründungsmitglieder wir beide waren. 


Sir Roy verkörperte den idealen Typ eines “dedicated“ Transplantationschirurgen, der nicht nur im Operationssaal unter Anwendung einer akribisch ausgefeilten chirurgischen Technik die erneute Funktion eines fremden Transplantates ermöglichte, sondern der sich auch für das weitere Schicksal des von ihm transplantierten Spenderorgans im Empfänger hauptverantwortlich fühlte: Für Transplantationschirurgen in der damaligen Zeit bestand eine erfolgreiche Transplantation als Behandlungskonzept bei Patienten mit Organversagen aus zwei voneinander nicht zu trennenden Maßnahmen, 1) der Operation und 2) der anschließenden Durchführung einer immunsuppressiven Therapie. Entsprechend hatten Transplantationschirurgen in der Regel eine immunologische Ausbildung und betrieben aktiv experimentelle und klinische Forschung auf dem Gebiet der Immunsuppression als Teilgebiet der Grundlagenimmunologie. 


Die Beiträge von Sir Roy zur Entwicklung der Transplantationsmedizin sind enorm: So führte er mit seinem Team im Mai 1968 im Addenbrooke‘s Hospital in Cambridge die erste Lebertransplantation in Europa durch; im Dezember 1986 kollaborierte er mit Prof. John Wallwork bei der Durchführung der weltweit ersten Herz-Lunge-Lebertransplantation im Royal Papworth Hospital in Cambridge. Im Jahr 1994 leitete er eine sechs - Organtransplantation von Leber, Niere, Magen, Duodenum, Dünndarm und Pankreas. Ehrungen ließen nicht lange auf sich warten: So wurde Roy Calne 1992 mit dem Medawar-Preis für seine bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der Organtransplantation und der Verbesserung der Immunsuppressionstechniken ausgezeichnet. Im Jahr 2012 erhielt er – zusammen mit einem anderen großen Pionier in der Transplantationschirurgie, Thomas Starzl in Pittsburgh USA - den renommierten Lasker-Preis für seine hervorragenden Forschungsarbeiten. Im Jahr 2021 benannte das Addenbrooke's Hospital seine Transplantationseinheit, eine der größten in Großbritannien, nach Calne. 

Als innovativ denkender und handelnder Transplantationschirurg leistete Sir Roy Pionierarbeit bei der klinischen Entwicklung immunsuppressiver Medikamente, insbesondere des Ciclosporins. Ermutigt durch experimentelle Ergebnisse aus Studien an Mäusen, Ratten und Schweinen startete die Gruppe um Calne im Sommer 1978 die ersten Therapieversuche an nierentransplantierten Patienten, zunächst in Kombination mit anderen Immunsuppressiva, danach als alleiniges Medikament. In einer ausgewählten Gruppe von Patienten konnten die anfänglich schlechten Ergebnisse (u. a. aufgrund erheblicher Nephrotoxizität und Entwicklung von Lymphomen) nun entscheidend verbessert werden: Die 1-Jahres-Transplantatüberlebensrate der Patienten unter der Ciclosporin-Monotherapie stieg auf 86 % an. Diese nunmehr vielversprechenden Ergebnisse führten dann zur Inangriffnahme der Europäischen Multi-Zentren-Studie an Empfängern postmortal entnommener Nieren. In dieser Studie konnte dann erstmals eine statistisch-signifikant bessere Wirkung von Ciclosporin gegenüber der konventionellen Therapie (bestehend aus Azathioprin und Steroiden) nachgewiesen werden. Als Teilnehmer an dieser Studie blieb es mir vorbehalten, die Langzeit-Ergebnisse auf dem 3. Ciclosporin Kongress in Sevilla, Spanien im Jahr 1994 zu präsentieren. 


Sein Interesse galt aber auch anderen neuartigen immunsuppressiven Behandlungsmöglichkeiten, zum Beispiel dem Einsatz monoklonaler Antikörper, dem Alemtuzumab. Unter anderem leitete er in Singapore eine klinische Studie mit diesem Antikörper an nierentransplantierten Patienten. Die Ergebnisse dieser Untersuchung waren ermutigend und deuteten darauf hin, dass Alemtuzumab in der Tat ein wirksames Induktionsmittel ist, das eine niedrig dosierte steroidfreie Immunsuppression nach Nierentransplantation ermöglichte. Natürlich war hier die besondere Wirksamkeit des monoklonalen Antikörpers im Unterschied zum polyklonalen Antilymphozytenglobulin (ALG) von Interesse. 


Neben Sir Roy’s Spitzenleistungen in der Transplantationsmedizin beeindruckte sein Hang zur Kunst, hier insbesondere seine Fähigkeiten als Kunstmaler, sowie seine Leidenschaft für Tennis und Skifahren. So hatte ich anlässlich von Tagungen des Öfteren das Privileg, Sir Roy’s sportliche Ambitionen miterleben zu dürfen, sei es beim gemeinsamen Tennis anlässlich des 12. Kongresses der Internationalen Transplantationsgesellschaft in Sydney (1988) oder beim gemeinsamen Skifahren anlässlich von Workshops des Instituts für Chirurgische Forschung der LMU, in den sechziger Jahren auf den Loipen am Kitzbüheler Horn und, später, in der Axamer Lizum. 


Sir Roy’s Vermächtnis wird in der Transplantationswelt weiterleben: Er hat auf dem Gebiet der Organtransplantation unauslöschliche Spuren hinterlassen, indem er weiterhin künftige Generationen von Transplantationschirurgen inspiriert. Und organtransplantierte Patienten werden weiterhin von seinem historischen Werk und innovativen Wirken profitieren. 


Walter G. Land 

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